Lithium Abbau in Bruchsal: Deutschlands nachhaltiger Weg (26)

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Redaktion

Stiftung Energie & Klimaschutz
01. August 2024

Laura Herrmann und Thomas Kölbel sind Experten für innovative Lithiumgewinnung bei der EnBW. Sie geben einen Einblick in den Prozess der Lithiumgewinnung in Bruchsal. Sie diskutieren über die damit verbundenen Herausforderungen und Möglichkeiten der Lithiumgewinnung, sowohl für Deutschland als auch für die globale Gemeinschaft.  

Wie funktioniert die Gewinnung von Lithium aus Thermalwasser bei der EnBW?

In einer Geothermieanlage werden üblicherweise zwei Bohrungen vorgenommen: Die eine fördert heißes Wasser aus den Tiefen der Erde, während die andere dazu dient, das genutzte Wasser – nachdem es zur Wärmeerzeugung oder Stromproduktion beigetragen hat – wieder in den Untergrund zurückzuleiten. Das Thermalwasser von Bruchsal zeichnet sich durch einen Lithiumgehalt von 160 Milligramm pro Liter aus. Dies mag auf den ersten Blick gering erscheinen, doch angesichts der Tatsache, dass täglich das Äquivalent von 14.000 Badewannen an Wasser gefördert wird, offenbart sich das enorme Potenzial. Lithium ist ein wertvolles Nebenprodukt der Geothermie: Nachdem die primäre Nutzung für Wärme und Strom erfolgt ist, lässt sich das Lithium mittels eines simplen Verfahrens extrahieren und nutzbar machen. 

Wie sieht der Prozess der Weiterverarbeitung von Lithium aus und welche zusätzlichen Wertschöpfungspotenziale ergeben sich dadurch? 

Lithiumcarbonat, oft als „Weißes Gold“ bezeichnet, ist ein unverzichtbarer Rohstoff in der Batterieherstellung, so Laura Herrmann. Allerdings wird es nicht direkt in dieser Form produziert, sondern zunächst als lithiumreiche Lösung gewonnen, die ein Zwischenprodukt darstellt. Diese Lösung wird dann weiterverarbeitet und umgewandelt. In der chemischen Industrie existiert ein standardisiertes Verfahren, um aus der lithiumreichen Lösung das Lithiumcarbonat zu extrahieren, welches anschließend für die Herstellung von Kathoden in der Batterieproduktion verwendet wird. 

Wie sieht der Prozess der Weiterverarbeitung von Lithium aus und welche zusätzlichen Wertschöpfungspotenziale ergeben sich dadurch? 

Wir achten darauf, dass wir einen emissionsfreien Prozess haben.

Laura Herrmann

Laut Thomas Kölbel spielt die Umweltverträglichkeit eine entscheidende Rolle. Obwohl ein vollständiger Verzicht auf Wasser nicht möglich ist, wird im Vergleich zu konventionellen Methoden deutlich weniger davon verbraucht. Anstatt für jeden Zyklus neues Wasser zu beanspruchen, wird zu Beginn des Prozesses einmalig Frischwasser eingesetzt, welches anschließend kontinuierlich recycelt und aufbereitet wird, erklärt Laura Herrmann. Dank einer Filtrationseinheit gelingt es, bis zu 90% des Wassers zurückzugewinnen. Das bedeutet, dass nur minimale Mengen an Frischwasser bei jedem Durchlauf ergänzt werden müssen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt sind die Emissionen. Die Geothermieanlage in Bruchsal arbeitet bereits CO2-neutral, und dieses Prinzip soll auch bei der Lithiumgewinnung beibehalten werden. Zudem gibt es verschiedene technische Herausforderungen zu bewältigen, wie die Aufrechterhaltung spezifischer Druck- und Temperaturbedingungen.

Welche Märkte erscheinen für diese Art der Lithiumgewinnung vielversprechendsten?

In der Region zwischen Mannheim und Offenburg ist es laut Kölbel sehr wahrscheinlich, dass man beim Bohren nach heißem Wasser auch auf Lithium stößt. Diese Aussicht besteht ebenso in Norddeutschland – Lithiumvorkommen sind dort weit verbreitet. In Europa gilt Cornwall als ein Hotspot für Lithium mit hohen Konzentrationen, ähnliches gilt für die französische Seite des Rheingrabens. Ein weiteres bekanntes Gebiet mit hohem Lithiumgehalt ist der Südwesten der USA, insbesondere die Gegend um den Salton Sea. Auch in anderen Ländern, wie beispielsweise Neuseeland und Australien sieht Kölbel großes Potenzial hinsichtlich der Lithiumgewinnung.  

Welche Bedarfe könnte so eine Gewinnung in ihrer maximalen Ausbaustufe abdecken?

Angesichts des Booms der Elektromobilität gewinnt Lithium zunehmend an Bedeutung und gilt als kritischer Rohstoff. Es wird prognostiziert, dass der Bedarf an Lithium bis zum Jahr 2030 auf das Dreifache des heutigen Wertes ansteigen könnte. In Bruchsal besteht nach Thomas Kölbel das realistische Potenzial, jährlich etwa 800 Tonnen Lithiumcarbonat zu fördern, was ausreicht, um Batterien für 20.000 Elektroautos zu produzieren. Sollten alle Geothermieanlagen in Deutschland ausgeschöpft werden, könnten sie voraussichtlich 20% des nationalen Lithiumbedarfs decken. Dies stellt einen bedeutenden Beitrag dar, auch wenn es nicht die alleinige Lösung für die Rohstoffversorgung ist. 

Welche Rolle spielen internationale Kooperationen für die Gewinnung von Lithium?

Lithium hat sich auf der internationalen Bühne zu einem Thema von enormer Bedeutung entwickelt. Chile trägt mit 40% und Australien mit 60% maßgeblich zur globalen Lithiumförderung bei. Anschließend wird das Rohmaterial nach China transportiert, wo es zu Batterievorprodukten verarbeitet und dann in unsere Länder exportiert wird, um in heimischen Batteriefabriken mit fortschrittlichen Steuersystemen versehen zu werden. Diese Konstellation führt zu einer erheblichen Abhängigkeit von der chinesischen Regierung, die entscheiden kann, ob sie diese Vorprodukte exportiert oder für den eigenen Bedarf zurückhält. Daher ist es laut Kölbel von kritischer Bedeutung, dass Deutschland und andere Länder die Fähigkeit entwickeln, diese Prozesse eigenständig und lokal durchzuführen. 

Wie steht es um die Klimabilanz dieser Methode der Lithiumförderung in Deutschland?

Der hier beschriebene Prozess zur Lithiumgewinnung zeichnet sich durch eine deutlich geringere Umweltbelastung im Vergleich zu konventionellen Methoden aus. Das Thermalwasser wird an die Erdoberfläche gepumpt, die Lithiumionen werden extrahiert, und anschließend wird das Wasser wieder in den Untergrund geleitet. Das im Thermalwasser enthaltene CO2 wird dabei vollständig zurückgeführt, was einen emissionsfreien Prozess gewährleistet. Zwar kommen im Verfahren Säuren zum Einsatz, doch es wurde laut Laura Herrmann in den letzten Jahren intensiv daran gearbeitet, deren Verwendung auf ein Minimum zu beschränken und umweltfreundlichere Alternativen zu erforschen. Diese Bemühungen erfolgten in enger Kooperation mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT). 

Gibt es Bedenken hinsichtlich seismischer Aktivitäten durch die Lithiumgewinnung?

Die petrothermale Geothermie ist bekannt dafür, mit Mikroseismizität einherzugehen. Dieses Verfahren ist in Deutschland jedoch nicht zugelassen. Als Alternative bietet sich die hydrothermale Geothermie an, ein Verfahren, bei dem keine seismischen Aktivitäten entstehen. Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) überwacht diesen Prozess seit 15 Jahren mithilfe von Sensoren. In dieser Zeit wurde festgestellt, dass durch die geothermischen Aktivitäten in Bruchsal keinerlei seismische Ereignisse ausgelöst wurden. 

Ist das Verfahren zur Lithiumgewinnung gegenüber alternativen Ansätzen konkurrenzfähig?

Inzwischen gibt es Ansätze, Batterien ohne Lithium herzustellen. Natriumbatterien stellen eine vielversprechende Alternative dar, die mit einigen Vorteilen punktet – Natrium ist kostengünstig und reichlich verfügbar. Allerdings gibt es auch Herausforderungen, wie beispielsweise eine geringere Energiedichte. Angesichts des starken Wachstumsbedarfs an Energiespeichern, um die Elektrifizierung und die Energiewende voranzutreiben, werden auch andere Technologien ihren Platz auf dem Markt finden. Diese verschiedenen Technologien schließen sich laut Laura Herrmann nicht gegenseitig aus, sondern ergänzen sich vielmehr, um ein breites Spektrum an Anwendungen und Bedürfnissen abzudecken. 

Am Ende jeder Folge bitten wir die Gäste uns einen besonderen Lesetipp zu nennen. Thomas Kölbel empfiehlt zum Thema Lithiumgewinnung in Bruchsal den TerraX-Beitrag Lithium fürs E-Auto – bald aus dem Rhein?“. Für diejenigen, die sich fachlich etwas tiefer in die Thematik einarbeiten möchten, empfiehlt Laura Herrmann die Publikation Lithium extraction from geothermal brines in the Upper Rhine Graben: A case study of potential and current state of the art„.  

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