„Energiewende: Wie stemmen wir die notwendigen Investitionen?“ Bericht vom Debatten-Abend

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Foto: ARTIS-Uli Deck

Die Energiewende nimmt sichtbar Fahrt auf: Die Netze werden aus- und umgebaut, immer mehr klimaneutrale Kraftwerke entstehen. Fast 60 Prozent (58,4 %) des Stroms, der in Deutschland erzeugt wird, kommt aktuell aus erneuerbaren Energiequellen, berichtet das Statistische Bundesamt. Das ist gut, die Tendenz ist steigend. Doch die Energiewende kostet Geld, sehr viel Geld. Bis 2035 werden über 1,2 Billionen Euro benötigt, prognostiziert der Fortschrittsmonitor Energiewende des BDEW.

Wo soll das Geld für die Energiewende herkommen?

Katharina Klein, Sprecherin des Vorstandes der Stiftung Energie & Klimaschutz, beleuchtete in ihrer Begrüßung den politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmen für die Finanzierung der Energiewende, derzeit alles andere als einfach. Schon das heftige Ringen um den Bundeshaushalt signalisiert: die Mittel in den öffentlichen Kassen sind knapp. Gleichzeitig fordert die Gesellschaft Entlastungen, zum Beispiel durch ein Klimageld. Welche Akteurinnen und Akteure sind in der Verantwortung? Welche Instrumente für die Finanzierung sind für wen besonders geeignet? Und welche Grenzen gilt es bei der Auswahl der Investoren zu beachten?

Die gute Nachricht: Es gibt spannende Lösungsansätze! Diese diskutierten in der SpardaWelt in Stuttgart gestern Abend Juliane Barella, sie berät bei der SEB Bank große Unternehmenskunden im Energiebereich, Carolin Schenuit, geschäftsführende Vorständin vom Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft, und Peter Berlin, Leiter Finanzierung bei der EnBW. Alexandra von Lingen hat die durchweg sachliche und sehr konstruktive Diskussion geleitet.

Die Energiewende ist eine riesige gesellschaftliche Aufgabe, die nur mit vereinten Kräften bewältigt werden kann.

Peter Berlin, Leiter Finanzierung bei der EnBW

Die Energiewende ist eine riesige gesellschaftliche Aufgabe

Von den 1,2 Billionen Euro, die benötigt werden, geht der Löwenanteil, ca. 570 Milliarden, in Anlagen für grüne Stromerzeugung, gut 470 Milliarden in die Netzinfrastrukturen. „Der enorme Bedarf an Investitionen kann nur gemeinsam gestemmt werden. Banken, Investoren, Wirtschaft und Staat müssen gemeinsam und mit innovativen Lösungen ihren Beitrag zur Finanzierung leisten“, so Juliane Barella. Peter Berlin sagte dazu: „Die Energiewende ist eine riesige gesellschaftliche Aufgabe, die nur mit vereinten Kräften bewältigt werden kann.“

Carolin Schenuit stimmte zu, hielt aber auch dagegen, dass sich die Energiewende selbst zahlen könne, würde man ehrlich rechnen. Denn die Brennstoffimporte und die Klimafolgen seien viel teurer als der Umbau zu einem erneuerbaren Energiesystem. Außerdem werde es darauf ankommen, soziale Spannungen durch die Energiewende abzufedern und die Gesellschaft auf die Reise Richtung Klimaneutralität mitzunehmen. Hierbei werde die Ausgestaltung des Klimageldes für die privaten Haushalte eine zentrale Rolle spielen. Das Forum Ökologisch-Soziale Marktforschung hat dazu kürzlich unter dem Titel „Klimageld schafft Ausgleich“ eine Kurz-Studie veröffentlicht.

Unternehmen aller Industrien müssen sich mit der Finanzierung der Energiewende beschäftigen

Die Energieerzeuger gehen alle in dieselbe Richtung und streben den Kohleausstieg deutlich vor 2038 an. Geht man aus der Energiewirtschaft heraus, dann werden erhebliche Unterschiede im Umgang mit der Energiewende sichtbar, analysierte Juliane Barella. Große Player seien sehr aktiv und transparent, kleinere Unternehmen hätten zum Teil noch einen langen Weg vor sich. Auf der Suche nach dem notwendigen Kapital für die Energiewende empfahl sie den kleineren Unternehmen, den Kreis der potenziellen Investoren frühzeitig zu erweitern.

Die Banken fragen sich täglich: Wie können wir das Geld so strukturieren, dass es mehrheitlich in nachhaltige Projekte fließt? Jeder Kredit muss mit Eigenkapital hinterlegt werden – diese Ressource ist begrenzt. Die Entscheidungen, welche großen Projekte finanziert werden, orientieren sich bei der SEB an der EU-Taxonomie und an der Nachhaltigkeitsstrategie der Bank. Das gelte auch für Finanzprodukte und Unternehmensfinanzierungen, bestätigte Juliane Barella. Die Bank müsse als Kreditgeber grundsätzlich die folgenden drei Aspekte gewährleisten: die sichere Kreditrückzahlung, die Wirtschaftlichkeit und die Erfüllung der Renditeerwartungen.

Auch kleinere Player haben große Investitionen vor sich, z.B. die Stadtwerke. Für die ist ein Instrument wie eine Staatsgarantie sehr hilfreich. [...]

Juliane Barella, SEB Bank

Wie kann man Chancen und Risken einer Finanzierung richtig abwägen?

Im „Banken-Sprech“ müssen Projekte „bankable“ sein, speziell dann, wenn es um große Summen geht. Carolin Schenuit, die sich seit mehr als 12 Jahren intensiv mit dem Thema „Bankability“ beschäftigt, sieht Nachholbedarf in der Attributionsforschung, die sich mit den Eintrittswahrscheinlichkeiten von Dürren oder Überschwemmungen und den Klimafolgekosten befasst. Die Studie Kosten durch Klimawandelfolgen in Deutschland liefere dazu Daten mit geschätzten Kosten von mindestens zehn bis 30 Milliarden Euro pro Jahr bis 2050. Sie warnte: „Davor dürfen wir nicht kollektiv die Augen verschließen“. Die gesamtstrategische Ausrichtung der Banken sei längst noch nicht da, wo sie sein sollte.

Welche Finanzierungsmöglichkeiten gibt es und welche machen für wen am meisten Sinn?

Bei der Finanzierung der Energiewende kommen Eigen- und Fremdkapitalfinanzierungen in Betracht. Der BDEW, der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft, und der Verband kommunaler Unternehmen, VKU, haben zusammen mit Deloitte Anfang Juni ihr zweites Konzeptpapier für den Energiewende-Fonds vorgestellt. Die Ziele: Unternehmen bei ihren Investitionen in die Energiewende zu unterstützen und durch den Energiewende-Fonds (EWF) zusätzliches privates Kapital u.a. durch staatliche Absicherung anzuziehen. Juliane Barella argumentierte: „Auch kleinere Player haben große Investitionen vor sich, z.B. die Stadtwerke. Für die ist ein Instrument wie eine Staatsgarantie sehr hilfreich. Das Risiko wird auf den deutschen Staat transferiert und damit ist die Finanzierung für die Bank sicherer. Dann ist es in erste Linie eine politische Frage, was man unterstützen möchte und was nicht.“ Doch was soll öffentlich unterstützt werden und was nicht? Hier gelte es zu prüfen, was man wie strukturieren wolle, sagte Carolin Schenuit. Aus ihrer Sicht mangele es noch an Konsistenz.

„Wir finanzieren uns am Kapitalmarkt“

Die EnBW wird bis 2030 eine Rekordsumme von 40 Milliarden Euro in die Energiewende investieren. „Wir finanzieren uns am Kapitalmarkt“, erklärte Peter Berlin. Dort stehen ihm und seinem Team grüne und konventionelle Anleihen zur Verfügung. Bereits 85 Prozent der EnBW-Investitionen seien mit der EU-Taxonomie konform. „Bei den grünen Anleihen habe ich erheblich mehr Banken, Versicherungen und sonstige Kapitalsammelstellen als potenzielle Investoren zur Auswahl“, führte er aus. Mit grünen Anleihen (Green Bonds) können auch private Anleger einen erheblichen Beitrag zur Energiewende leisten. „Wenn Sie Ihrer Bank sagen, dass sie nur grün investieren wollen, dann wird nur grün investiert“, so Peter Berlin. Es sei eine gesellschaftliche Aufgabe, sich so aktiv an der Finanzierung der Energiewende zu beteiligen. 

Welche Rolle spielen Bürgerbeteiligungen, CO2-Zertifikate und Power Purchase Agreements?

Ein weiteres Finanzierungsinstrument sind die Bürgerbeteiligungen, z.B. an Windparks. Über eine solche Eigenkapitalbeteiligung könne man als privater Investor in den Dialog mit den Unternehmen gehen und die Energiewende besser verstehen, erläuterte Peter Berlin. Bei Großprojekten, wie z.B. Offshore-Windparks, sei die Bürgerbeteiligung eher kein geeignetes Instrument, kommentierte Juliane Barella aus SEB-Perspektive.

Der Handel mit CO2-Zertifikaten ist inzwischen ein klassisches Instrument. Diese Zertifikate muss man kaufen, wenn man CO2 emittiert. Aus Sicht des Podiums könne dieses Handelssystem noch deutlich besser sein, aber es funktioniere. Carolin Schenuit sprach von nach wie vor eklatanten Schwächen, v.a. das Verursacherprinzip betreffend.

Power Purchase Agreements, PPAs, sind eine weitere Option für die Finanzierung der Energiewende. Peter Berlin erklärte, wie sie funktionieren: „Bei den PPAs suchen wir Unternehmen, die dauerhaft grünen Strom abnehmen. Mit PPAs hat man planbare Cashflows und kann mit der Bank leichter eine Finanzierung hinbekommen.“

Welche weiteren Finanzierungsquellen stehen für die Energiewende zur Disposition?

Für Carolin Schenuit sollten die Subventionsregeln dringend auf den Prüfstand. Ihr Beispiel dazu: „Es gibt eine Steuersubvention für Dieselkraftstoffe aus den 1970er Jahren, um nach der Ölkrise die Spediteure zu entlasten. Würde man diese Subvention streichen, dann wäre der Diesel heute doppelt so teuer.“ Das würde jede und jeder spüren und das eigene Verhalten anpassen. Sie forderte die Politik auf, sich daher genau zu überlegen, was man öffentlich unterstützt und was besser nicht.

Eine weitere Option: Über den Bundhaushalt laufen jährlich über 350 Milliarden Euro an Garantien und Gewährleistungen für Verpflichtungen, die im besten Fall nie eintreten. Diese inländischen Garantien könnte man beispielsweise für die Energiewende und mehr Nachhaltigkeit einsetzen.

Wo sehen Investoren Deutschland im internationalen Vergleich?

„In der Summe ist Deutschland ein Standort, in den man aus internationaler Sicht gerne investiert“, sagte Peter Berlin. Und fügte gleich hinzu: „Die Energiewende gibt es nicht umsonst, ohne internationales Kapital kriegen wir die nicht gestemmt“. Mit dem Klimafonds sind 60 Milliarden Euro weggefallen. Auch deshalb muss es ein großes Ziel sein, Deutschland für internationale Investoren noch attraktiver zu machen. Potenzielle Investoren schauen sich alle Länder an, nicht nur Europa. Sie vergleichen und wünschen sich einen massiven Bürokratieabbau. Für Juliane Barella sind auch die Renditen ein sehr wichtiger Aspekt. Denn Investoren wie Versicherungen oder Pensionsfonds fühlen sich dazu verpflichtet, für ihre Kunden eine vernünftige Rendite zu erwirtschaften. Hinzu kommt, dass grüne Investitionen wirtschaftlich stark vom zukünftigen CO2-Preis abhängen, den wir noch nicht kennen. Aus Sicht von Peter Berlin würde es helfen, für den zukünftigen CO2-Preis ein Mindestniveau zu definieren und bei der Bewertung neben dem Energiesektor auch den Verkehr einzubeziehen. Aus deutscher Sicht muss man sich außerdem überlegen, welche Investoren man bei strategischen Infrastrukturprojekten langfristig im Boot haben will.

Wie geht es weiter mit der Energiewende?

Aus Sicht des Podiums wird der Rechtsruck im Zuge der Europawahl den European Green Deal, das Flaggschiff-Projekt von Ursula von der Leyen und der EVP, und die Energiewende in Deutschland nicht gefährden. Was wir aber brauchen werden: Reformkonzepte für die Schuldenregelung und Überlegungen, ob große Projekte im Kontext der Energiewende ein Aushebeln der Schuldenbremse rechtfertigen können. Wir können die Energiewende gemeinsam stemmen, wenn die Politik, Unternehmen, die Banken, Investoren und die Zivilgesellschaft an einem Strang ziehen und den Weg Richtung Klimaneutralität konsequent weiter gehen.

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