Energiewende nur gemeinsam – (Finanzielle) Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern am Wandel

Gastautor Portrait

Johanna Kamm und Dr. Maximilian Wimmer

Stiftung Umweltenergierecht

Johanna Kamm ist seit 2021 bei der Stiftung Umweltenergierecht tätig, seit Oktober 2022 als wissenschaftliche Referentin. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen dabei im europäischen Umweltenergie- und Wettbewerbsrecht sowie im Recht der erneuerbaren Energien. Nach dem Studium der Rechtswissenschaft mit Schwerpunkt Europarecht an der Europa-Universität Viadrina absolvierte sie das Rechtsreferendariat am Brandenburgischen Oberlandesgericht mit Stationen im BMWi und der Kanzlei Becker Büttner Held. Im Anschluss daran war sie am Brüsseler Standort der Kanzlei als Rechtsanwältin sowie als Policy and Legal Advisor für die European Renewable Energies Federation (EREF) tätig. Dr. Maximilian Wimmer arbeitet seit 2017 als wissenschaftlicher Referent bei der Stiftung Umweltenergierecht. Sein Arbeitsschwerpunkt liegt im Bereich des europäischen Umweltenergierechts. Gegenwärtig befasst er sich mit der „Renovation Wave“-Strategie“ und dabei insbesondere mit der Gebäudeeffizienzrichtline und der Energieeffizienzrichtlinie. In diesem Zusammenhang blickt er auch auf die deutschen Entwicklungen im Gebäudebereich. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften und dem erfolgreichem Abschluss des zweiten Staatsexamens promovierte er an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und war als Dozent der Vorlesung „European Union Law“ an der Europa-Universität Flensburg tätig.

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Bild: Shutterstock.com/Andrey_Popov

Die Klima- und Energiekrise machen deutlich, dass eine erfolgreiche Energiewende dringend erforderlich ist. Neben dem Ausbau erneuerbarer Energien muss dafür auch die Senkung von hohen Energieverbräuchen, vor allem über Energieeffizienzmaßnahmen, in den Fokus der Transformation gerückt werden.

Gebäude im regulatorischen Spannungsfeld

Besonders wichtig ist dabei die Renovierung des Gebäudebestands. Laut EU-Kommission wird der Großteil der existierenden und oftmals sehr ineffizienten Gebäude auch im Jahr 2050 noch bestehen. Die Renovierungsquote liegt jedoch aktuell im niedrigen einstelligen Bereich. Es ist hier entscheidend, die Bürgerinnen und Bürger in die Entwicklung miteinzubeziehen, weil Gebäude eine zentrale Rolle im Leben der Menschen spielen. Ob die Energiekosten der eigenen Wohnung oder der Zustand von Schulen und Krankenhäusern – Maßnahmen im Gebäudebereich emotionalisieren und mobilisieren politisch. Zuletzt hat die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes gezeigt, wie schnell die Diskussionen dazu entgleiten können.

Gesicherte Finanzierung als akzeptanzsteigernde Maßnahme

Im Bereich der Energieeffizienz kann Akzeptanz aus mindestens drei Blickwinkeln erhöht werden: erstens steigern Energieeffizienzmaßnahmen die Raumqualität und senken den Energiebedarf, was vielerlei Vorteile für die Gebäudenutzerinnen und -nutzerbringt – so waren beispielsweise Bewohnerinnen und Bewohner energieeffizienter Gebäude finanziell weniger stark von der Energiepreiskrise betroffen. Zweitens kann die Angst vor ordnungsrechtlichen Vorgaben gesenkt werden, wenn die Finanzierung geklärt ist. Drittens kann die Akzeptanz erhöht werden, wenn Energieeffizienzmaßnahmen zu unmittelbarer Rendite in den Geldbeuteln der Bürgerinnen und Bürger führen.

Zwischen Freiwilligkeit und Pflicht

Es ist also wichtig, bei der Schaffung des regulatorischen Rahmens für die dringend erforderliche Transformation soziale Teilhabe und Finanzierungsfragen von Anfang an mitzudenken.

Eine häufige Hürde von Energieeffizienzmaßnahmen – und von Gebäudeeffizienzmaßnahmen im Speziellen – sind aber die erheblichen Finanzierungskosten, die sich meist erst langfristig amortisieren. Allein auf freiwilliges Handeln der Bürgerinnen und Bürger zu setzen, reicht daher nicht aus. Andererseits hat gerade die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes verdeutlicht, dass ordnungsrechtliche Ansätze auf Akzeptanzprobleme stoßen. Es ist also wichtig, bei der Schaffung des regulatorischen Rahmens für die dringend erforderliche Transformation soziale Teilhabe und Finanzierungsfragen von Anfang an mitzudenken. Eine Erhöhung der gesellschaftlichen Teilhabe an entsprechenden Effizienzmaßnahmen kann für die Notwendigkeit dieser Maßnahmen sensibilisieren, zur Beteiligung an solchen Maßnahmen mobilisieren und die Akzeptanz der Energiewende im Ganzen fördern. KfW-Förderprogramme können dies nur zu einem Teil abdecken, da meist weiterhin Eigenkapital erforderlich ist. Daher sind zusätzliche innovative Lösungen nötig, um die erforderlichen Maßnahmen zu ermöglichen.

Energieeinsparcontracting: Finanzierungsbedarf und -lösungen

Ein Baustein für die Finanzierung solcher Effizienzmaßnahmen kann das bürgerfinanziertes Energieeinsparcontracting sein. Das Konzept gleicht dem bereits etablierteren Modell für die gemeinsame Finanzierung von Erneuerbare-Energie-Projekten, in dem Bürgerinnen und Bürger gemeinsam in eine Anlage investieren und aus dem daraus erzeugten Strom Rendite erzielen. Übertragen auf die Energieeffizienz können Bürgerinnen und Bürger dann beispielsweise in die Renovierung einer Schule investieren, die aufgrund schlechter Energieeffizienz einen hohem Energieverbrauch hat. Ein Teil der dadurch erfolgten Energieeinsparungen kann dann als Rendite ausgeschüttet werden. Mit steigenden Energiekosten steigt entsprechend auch die Renditefähigkeit. Das grundsätzliche Modell „Energieeinsparcontracting“ existiert bereits, wird aber primär von der öffentlichen Hand genutzt. Bürgerfinanzierungsprojekte bleiben in vielen Fällen ungenutzt – wesentliche Gründe liegen dafür sowohl in oftmals überfordernder Komplexität für Investitions- und Crowdfundingplattformen oder mangelnder Sichtbarkeit.

Das (Europa-)Recht als Katalysator

Trotz der genannten Vorbehalte in Teilen der Bevölkerung gegenüber Verpflichtungen ist ein rechtlicher Rahmen unabdingbar. Dies schon deshalb, weil dadurch auch Möglichkeiten unter Berücksichtigung eines „level playing field“ eröffnet werden können. Anpassungsbestrebungen lassen sich insbesondere auf europäischer Ebene in den Bereichen Energieeffizienz und Gebäuderenovierung im Rahmen des „Fit for 55“-Pakets erkennen. In den Neufassungen der Energieeffizienz- und Gebäudeeffizienz-Richtlinie finden sich unter Schlagworten wie „Mindesteffizienzvorgaben für Gebäude“ oder „Solarenergiepflicht“ Verpflichtungen an die Mitgliedstaaten zur Umsetzung bestimmter Vorgaben innerhalb einer Umsetzungsfrist von meist zwei Jahren. Dies muss nicht über Ordnungsrecht geschehen, sondern kann auch über Förderkonzepte oder andere Lösungen verwirklicht werden. Insofern ist das Europarecht geeignet, die Mitgliedstaaten anzureizen, entsprechende Konzepte zu entwickeln, um mit dem Zutun der Bürgerinnen und Bürger die Vorgaben des Europarechts zu erfüllen. Deutschland sollte dabei angesichts des dringlichen Handlungs- und hohen Investitionsbedarfs jedes zur Finanzierung hilfreiche Instrument berücksichtigen.

Potenziale und Herausforderungen

Energieeffizienzprojekte mit Bürgerfinanzierung können dazu beitragen, mehr Finanzmittel bereitzustellen und die Akzeptanz der Energiewende zu erhöhen. Trotz ambitionierter Entwicklungen auf europäischer Ebene bestehen noch viele Hürden. Dies liegt auch daran, dass die rechtlichen Vorgaben nicht verbindlich genug sind und zu wenig Bezug auf die Bürgerbeteiligung und die praktische Umsetzung nehmen. Die Chancen des Wandels sollten genutzt werden, um die rechtliche und tatsächliche Situation für Energieeffizienzprojekte mit Bürgerfinanzierung zu verbessern.

Weitere Informationen: https://www.citizee.eu/

Über die Autor:innen

Johanna Kamm

Wissenschaftliche Referentin, Stiftung Umweltenergierecht

Johanna Kamm ist seit 2021 bei der Stiftung Umweltenergierecht tätig, seit Oktober 2022 als wissenschaftliche Referentin. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen dabei im europäischen Umweltenergie- und Wettbewerbsrecht sowie im Recht der erneuerbaren Energien. Nach dem Studium der Rechtswissenschaft mit Schwerpunkt Europarecht an der Europa-Universität Viadrina absolvierte sie das Rechtsreferendariat am Brandenburgischen Oberlandesgericht mit Stationen im BMWi und der Kanzlei Becker Büttner Held. Im Anschluss daran war sie am Brüsseler Standort der Kanzlei als Rechtsanwältin sowie als Policy and Legal Advisor für die European Renewable Energies Federation (EREF) tätig.

Bild: Manuel Reger

Dr. Maximilian Wimmer

Wissenschaftlicher Referent, Stiftung Umweltenergierecht

Dr. Maximilian Wimmer arbeitet seit 2017 als wissenschaftlicher Referent bei der Stiftung Umweltenergierecht. Sein Arbeitsschwerpunkt liegt im Bereich des europäischen Umweltenergierechts. Gegenwärtig befasst er sich mit der „Renovation Wave“-Strategie“ und dabei insbesondere mit der Gebäudeeffizienzrichtline und der Energieeffizienzrichtlinie. In diesem Zusammenhang blickt er auch auf die deutschen Entwicklungen im Gebäudebereich. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften und dem erfolgreichem Abschluss des zweiten Staatsexamens promovierte er an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und war als Dozent der Vorlesung „European Union Law“ an der Europa-Universität Flensburg tätig.

Bild: Manuel Reger

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