Netzausbau – gemeinsam und jetzt: Die Hebelwirkung intelligenter Messsysteme und die entscheidende Rolle des §14a

Gastautor Portrait

Ingo Schönberg

Vorstandsvorsitzender, PPC Power Plus Communications

Ingo Schönberg (CEO) ist Gründer, Gesellschafter und seit 2005 Vorstandsvorsitzender der PPC. Ingo Schönberg studierte an der Universität Dortmund und erhielt dort sein Ingenieurs-Diplom. Zusätzlich studierte er Betriebswirtschaft in Hagen. Als Gründungsmitglied des Fraunhofer Instituts FhG UMSICHT in Oberhausen war er 1990 bis 1996 Leiter der Abteilung KWK/Energiedienstleistungen und bereits sehr früh in Energiewende-Themen, Erneuerbare Energien, Kälte-/Wärmeversorgung und Kraft-Wärme-Kopplung aktiv. Es folgten ab 1996 verschiedene Führungspositionen bei der MVV Energie in Mannheim im Bereich Geschäftsentwicklung und Neue Technologien sowie beim Aufbau des Geschäftsfeldes Energiedienstleistungen. Der Einstieg in die Telekommunikations-Branche folgte 2000 mit der Geschäftsführung bei der MVV-Tochter Manet, einem regionalen Telekommunikations-Dienstleister und City Carrier.

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03. Juni 2024
Bild: PPC

Ob Sie als Umsetzer im Netzbetreib vielleicht selbst gerade mitten in der Planung stecken oder es um aktuelle Beispiele aus den Medien wie der Stopp neuer Netzanschlüsse in Oranienburg geht: das bundesweite Stromnetz steht vor großen Aufgaben bei Neu- und Ausbau der eigenen Kapazitäten.

Die Gründe dürften so vielfältig wie bekannt sein: die E-Mobilität ist seit Jahren nicht nur auf dem Vormarsch, sondern mit den bis 2030 von der Bundesregierung anvisierten 15 Millionen E-Autos hoch ambitioniert. Die Ausgestaltungen des GEGs stärken die Wärmepumpe als effiziente und klimafreundliche Heizlösung der Zukunft. Diese Elektrifizierung des Verkehrs- und Wärmesektors in Kombination mit der wachsenden Anzahl dezentraler Prosumer-Anlagen stellt eine riesige Chance dar – zukünftiger Energieverbrauch könnte effizienter, günstiger, autarker und klimafreundlicher werden als jemals zuvor. Zum Erschließen dieser Potenziale ist allerdings ein hochmodernes Stromnetz des 21. Jahrhunderts unabdingbar – und „hochmodern“ bedeutet dabei nicht nur der reine Kapazitätsausbau in Höhe und Breite.

Netzausbau – größer, effizienter, schlauer

Der Umstieg von analog auf digital klingt auf dem Papier unspektakulär, die daraus resultierenden Möglichkeiten sind jedoch immens.

Ingo Schönberg

Denn abseits neuer Trassen oder Umspannwerken in der Region wird der Schlüssel darin liegen, im Netz nicht nur Kapazität auszubauen und zu erneuern, sondern es auch intelligenter zu machen. Bedeutet: weg von einer analogen Zählerwelt, die manuell ausgelesen und dokumentiert werden muss und hin zu digitalen Messwerten, die nicht nur in höherer Frequenz erfasst werden, sondern auch wenn notwendig per Fernauslesung zur Verfügung stehen. 2018 fiel mit dem Start des Rollouts intelligenter Messsysteme der Startschuss für die dafür notwendige Infrastruktur. Der Umstieg von analog auf digital klingt auf dem Papier unspektakulär, die daraus resultierenden Möglichkeiten sind jedoch immens. Für Netzbetreiber entsteht ein transparentes Bild ihres Netzgebiets in höchster Auflösung, Silos manuell zu pflegender Datensätze werden aufgebrochen und ein effizienter Ausbauplan erleichtert. Gleichzeitig entsteht für den Endverbraucher selbst eine Mitmach-Schnittstelle an die Energiewirtschaft, Mehrwerte wie die Nutzung variabler Stromtarife oder Dienstleistungen im Bereich der Prosumer-Teilhabe werden damit zugänglich.

Das intelligente Messsystem, wie es gerade in der Breite ausgerollt wird, ist somit der dritte Stützpfeiler zum Netz der Zukunft: Modernisiert, erweitert, digitalisiert. Allerdings ist der Abschied von der Analogwelt im Messwesen nicht schlicht nur notwendiger Nachzug, sondern Türöffner zu vorher unmöglichen Lösungen, Werkzeugen und Dienstleistungen.

§14a: Regeln statt abschalten, Steuerung statt Zulassungsstopp

Einer dieser Hebel stellt der im letzten Jahr angepasste §14a EnWG dar, welcher es Verteilnetzbetreibern ermöglicht im Niederspannungsbereich bei kritischen Netzzuständen Verbraucher per Steuereingriff zu regeln. Der Steuerungsbefehl erfolgt über das intelligente Messsystem, entweder direkt aus dem Smart Meter Gateway, über ein verbundenes CLS-Gerät oder eine angebundene Steuerbox. Prosumer, Wärmepumpen oder Wallboxen können so kurzzeitig und kleinteilig in ihrem Bezug ausgeregelt werden. Ohne, dass dem ladenden oder heizendem Endnutzer dadurch Nachteile entstehen. Ganz im Gegenteil, er erhält eine Vergütung von ca. 150 € p.a. dafür. Dank der digitalen Infrastruktur des iMSys ist dabei eine Rückkopplungsmöglichkeit Richtung Netzbetreiber gesichert. Dieser sendet also nicht nur Steuersignale aus, sondern bekommt auch ein gesichertes Bild darüber, wie diese im eigenen Verteilnetz aufgenommen und verarbeitet werden.

Was auf den ersten Blick wie eine bloße Notwendigkeit zum Verhindern von Blackouts im örtlichen Netz klingt, stellt sich beim zweiten Blick als mächtiger Flexibilitätshebel heraus. Einerseits unterstützt großflächige Steuerung in der Niederspannung das Vermeiden teurer Redispatch-Eingriffe. Andererseits können die großen Aufgaben im Netzausbau flexibler und schneller angegangen werden. Neue Trassen und Umspannwerke sind unumgänglich, können mit der mehrjährigen Bauzeit allerdings zum Flaschenhals für die Elektrifizierung werden. Gelangt das örtliche Netz an stemmbare Kapazitäten, muss der Netzbetreiber im schlimmsten Falle die Neugenehmigungen von Wallboxen, Wärmepumpen oder neuen Großverbrauchern im örtlichen Gewerbegebiet ablehnen. Per §14a entstehen hier mittelbar Flexibilitätspotenziale, die mehr Verbraucher im örtlichen Netz zulassen, während der Netzausbau nachgezogen wird.

Technischer Durchstich mit langer Vorbereitung

Der §14a ist also zur heutigen Umsetzung bereit und keine regulatorische Hürde, die zusätzlich genommen werden muss.

Ingo Schönberg

Die Smart-Metering-Branche konnte sich auf die Anforderungen bei Technik und Prozessen, welche die Ermächtigung des §14a mit sich bringt, dabei längst vorbereiten. Wir hatten für uns dabei früh identifiziert, dass ein Dreiklang an Lösungen benötigt wird, um sicherzustellen, dass alle Steuerungsfälle gebührend abgebildet werden können. Das umfasst einerseits vorhandene Bestandsinfrastruktur an Steuerboxen, welche über das SMGW angesprochen werden müssen. Andererseits das Senden von Steuerbefehlen direkt aus dem SMGW heraus für Einbaufälle, wo bereits ein iMSys verbaut wurde, aber kein Steuerboxeinsatz vorliegt. In dritter Ausgestaltung können Steuerbefehle per Energiemanagementsystem für komplexe und granulare Anwendungsfälle verarbeitet werden – per Integration auf einem CLS-Gateway wird das Energiemanagement damit sogar direkter Bestandteil des hochsicheren intelligenten Messsystems. Entscheidend war hier, dass das iMSys als zentraler Anlaufpunkt interoperabel in alle Richtungen ausgestaltet wird, um nicht neue proprietäre Silos aufzubauen.

Wo die Anforderungen sich früh abgezeichnet haben, konnten wir als Hersteller von Smart Meter- und CLS-Gateways also früh unsere Partnerschaften und Kontakte nutzen, um beispielsweise neue Prozesse und Protokolle zu etablieren. Technische Demonstrationen des §14a im Hauskraftwerk konnten wir beispielsweise mit E3/DC der Hager Gruppe durchführen, im Wärme-Bereich haben wir von Beginn an mit der Bosch Home Comfort Group zusammengearbeitet, um die Nachfragesteuerung von sg-ready Wärmepumpen sicher zu stellen. Darüber hinaus wirft unsere Innovationsabteilung mit ihrem breiten Netzwerk an Projekten den Blick auf die großen anstehenden Fragen; das Forschungsprojekt WARAN arbeitet daran das noch „blinde“ Wärmenetz großflächig zu digitalisieren und transparent zu ermöglichen, während das Konsortium um SISSY aktuell Prozesse ausarbeitet, welche die Steuerung nach §14a zur schnellen, massentauglichen Lösung machen.

Der §14a ist also zur heutigen Umsetzung bereit und keine regulatorische Hürde, die zusätzlich genommen werden muss. Stattdessen können Verteilnetzbetreiber im Kleinen und die Energiebranche im Großen diesen als Beflügelung sehen, der den Smart Meter Rollout stützt sowie beschleunigt – und damit die ganze Energiewende kosteneffizienter, schneller und klimafreundlicher macht.

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