Die Finanzierung der Energiewende – eine europäische Herausforderung

Gastautor Portrait

Viola Rocher

Geschäftsführerin der BDEW EU-Vertretung in Brüssel

Viola Rocher wurde am 17.07.1970 in Lüneburg geboren. Sie studierte Rechtswissenschaf-ten (Schwerpunkt deutsches Öffentliches und Umwelt- sowie Europarecht), mit 1. und 2. Staatsexamen sowie einem D.E.A. in Europarecht der Universität Robert Schuman, Straß-burg. Ihre berufliche Laufbahn verfolgte Frau Rocher in Brüssel, zunächst 2000-2004 als Büroleite-rin der Europaabgeordneten und Vorsitzenden des Ausschusses für Wirtschaft und Währung Christa Randzio-Plath, anschließend als Referentin für den BDEW, ab 2011 für die EnBW Energie Baden-Württemberg AG, seit 2015 als Leiterin der EU-Repräsentanz und Konzern-expertin EU-Angelegenheiten. Im Juli 2023 übernahm sie die Geschäftsführung der BDEW EU-Vertretung.

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Grafik: BDEW

Die Finanzierung der für die Energiewende notwendigen Investitionen ist – auch – eine europäische Herausforderung. Nicht nur, weil europaweit gleichzeitig in allen Mitgliedstaaten erhebliche Transformationsinvestitionen gestemmt werden müssen, sondern auch, weil einige Lösungsansätze nur europäisch gedacht werden können bzw. geeignete Instrumente auch Anpassungen des regulatorischen Rahmens auf europäischer Ebene erfordern.

Bisheriger Rahmen nicht ausreichend

Ein wesentlicher begleitender Ansatz des in der abgelaufenen Legislaturperiode prioritär verfolgten Green Deals war, die Finanzierung der geforderten Transition zu unterstützen. Dazu zählten in Bezug auf öffentliche Mittel die Überarbeitung des staatliche Beihilferahmens, Vorgaben zur umfassenden Verwendung der in den Mitgliedstaaten verbleibenden Einnahmen aus dem Europäischen Emissionshandelssystems (EHS) für Klima- und Transitionsmaßnahmen sowie ein vorrangiger Zuschnitt der europäischen Förderprogramme auf die Unterstützung der Klimaziele, inklusive der Schaffung eines vereinfachten Zugangsportals für Fördermittel und Ausschreibungen.

Darüber hinaus wurden gemäß dem Anspruch „Shift the Trillions“ auch erste Maßnahmen zur Mobilisierung von privatem Kapital unternommen: von der Erarbeitung der Taxonomie, d. h. der Festlegung, was als nachhaltige Investition gelten darf, über umfassendere Nachhaltigkeitsberichtspflichten für Unternehmen und Green-Bond-Standards bis hin zur Ausrichtung der Finanzierungsstrategie der Europäischen Investitionsbank (EIB) auf die Unterstützung des Green Deal.

Bei aller berechtigten Kritik im Detail – diese Schritte waren wichtig. Klar ist aber auch, dass dies allein nicht ausreichen wird. Auch vor dem Hintergrund des Drucks auf die Wettbewerbsfähigkeit der EU muss die Finanzierung der benötigten Investitionen daher einer der Hauptschwerpunkte der gerade anlaufenden neuen europäischen Legislaturperiode sein.

Ansteigender Investitionsbedarf bei sinkenden Spielräumen

Die Zahlen zum Investitionsbedarf variieren, werden allerdings regelmäßig eher nach oben korrigiert. Die Gründe sind offensichtlich: Preissteigerungen durch Inflation, eine stark gestiegene weltweite Nachfrage nach Rohstoffen und Transformationstechnologien, Lieferkettenschwierigkeiten, Verzögerungen beim Hochlauf neuer Dekarbonisierungslösungen, wie z. B. Wasserstoff, etc.

Allein für den Energiesektor rechnet die Europäische Kommission bis 2030 mit einem jährlichen Investitionsbedarf von 396 Milliarden Euro, zwischen 2030 und 2050 sogar mit jährlichen Investitionen von rund 550 Milliarden Euro.

Laut BDEW-EY-Fortschrittsmonitor 2024 müssen allein in der deutschen Energiewirtschaf bis 2030 rund 721 Milliarden Euro investiert werden, bis 2035 gar über 1,2 Billionen Euro.

Die starke Belastung der öffentlichen Haushalte, nicht zuletzt infolge der letzten Krisenjahre, und den Finanzierungsbedarfen in neuen Bereichen wie Sicherheit und Verteidigung, lassen zusätzliche Finanzierung aus öffentlichen Geldern, insbesondere Spielräume für eine Aufstockung des EU-Haushalts, wenig wahrscheinlich erscheinen.

Zugang zu privatem Kapital verbessern

Die erforderlichen Investitionen können nur gestemmt werden, wenn Energieunternehmen, Finanzwirtschaft und Staat an einem Strang ziehen und alle Möglichkeiten der Finanzierung ausschöpfen.

Viola Rocher

Besonderes Augenmerk liegt daher auch auf EU-Ebene auf neuen Ansätzen zur Mobilisierung von privatem Kapital. Die erforderlichen Investitionen können nur gestemmt werden, wenn Energieunternehmen, Finanzwirtschaft und Staat an einem Strang ziehen und alle Möglichkeiten der Finanzierung ausschöpfen.

Ein Großteil des notwendigen Kapitals muss von den Unternehmen selbst aufgebracht werden. Optionen wie Kredite, Schuld- oder Genussscheine und neue Unternehmensanteile belasten jedoch schnell die Bilanzen und sind daher nur eingeschränkt möglich. Auch sind die Finanzierungsmöglichkeiten über Banken aufgrund der Bankenregulierung begrenzt.

Der Zugang zum Kapitalmarkt bedarf neuer Ansätze, um die Banken- und Kapitalmarktfinanzierung zu verbessern. BDEW und VKU haben daher gemeinsam mit der deutschen Kreditwirtschaft, unterstützt durch Deloitte, Herausforderungen und Handlungsempfehlungen erarbeitet. Diese umfassen, neben fiskalischen Investitionsanreizen, Partizipationsmodellen für Bürgerinnen und Bürger und Abbau von Bürokratie in der Nachhaltigkeitsberichterstattung, u. a. Anpassungen des regulatorischen Rahmens für Finanzierungen.

Einer der immer wieder angemahnten Ansätze auf europäischer Ebene ist die Vollendung der Kapitalmarkt- und der Bankenunion. Wenngleich die Integrationsbemühungen seit vielen Jahren stagnieren, steht das Vorhaben nun zumindest wieder weit oben auf der Agenda des Europäischen Rates. Konkret empfehlen BDEW und VKU die Anwendung der verringerten Eigenkapitalunterlegung für Infrastrukturprojekte in der EU-Kapitalanforderungs-Verordnung für alle Energiewende-Investitionen sowie die Anpassung der Vorgaben zur sog. Green Asset Ratio, d. h. zu den Anteilen vergebener Kredite, die nach EU-Taxonomie nachhaltig sind, zu verfolgen. Auch der Dokumentationsaufwand für Investitionen könnte z. B. über standardisierte ESG-Definitionen und Kriterien erleichtert werden.

Neue Investitionsansätze verfolgen

Auch auf europäischer Ebene werden verstärkt neue Ansätze verfolgt, die, statt der direkten Vergabe von Fördermitteln, diese eher zur Senkung der Risikokapitalkosten einsetzen. Eigenkapitalstärkende Finanzierungsformen wie Hybrid- oder Nachrangkapital, attraktivere Gestaltung von Risiko-Rendite-Profilen von als unsicher bewerteten Technologie-Investitionen durch Mischfinanzierungen (Blended Finance) oder ähnliches sollten verstärkt erwogen werden.

Auch Ansätze wie ein spezifischer Energiewende-Fonds, wie aktuell auf deutscher Ebene seitens der Verbände vorgeschlagen wird, sind überlegenswert.

Fazit

Wettbewerbsfähigkeit steht zu Recht in Zukunft deutlich stärker im Mittelpunkt, Rechtssicherheit ist dafür aber ebenfalls ein wichtiges Element.

Viola Rocher

Natürlich reichen diese Vorschläge allein nicht aus, um ein attraktives Umfeld für Investitionen zu schaffen. Über allem sind Rechtssicherheit bzw. schnelle Klarheit über den grundsätzlichen Fortbestand der eingeschlagenen Richtung und der grundsätzlichen Ambitionen eine Grundvoraussetzung. Ein starker Fokus sollte zudem die weitestmögliche Reduzierung von Kosten im System sein, d. h. vor allem Pragmatismus in der weiteren Implementierung des bisher beschlossenen Regulierungsrahmens.

Wettbewerbsfähigkeit steht zu Recht in Zukunft deutlich stärker im Mittelpunkt, Rechtssicherheit ist dafür aber ebenfalls ein wichtiges Element. Darüber hinaus sind intelligente Lösungen für den Zugang zu Kapital entscheidend, um eine möglichst große Hebelwirkung zu erzielen. Bei aller Betonung der Herausforderungen darf nicht vergessen werden, dass es sich weitgehend nicht um Konsumausgaben, sondern um Investitionen in Infrastruktur und Anlagen und damit um Wertschöpfung mit nachhaltigem Ertrag handelt.

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