Die Bayerische Staatsregierung und die Windenergie

Gastautor Portrait

Eike Hallitzky

Bündnis 90 / Die Grünen Bayern

Eike Hallitzky ist seit 2014 Landesvorsitzender der bayerischen Grünen. Nach zehn Jahren als Landtagsabgeordneter und Haushaltsexperte setzt er einen Schwerpunkt in der Arbeit des Landesverbands auf die erneuerbare Energien. Nach einem Studium der Volkswirtschaftslehre an der Universität Passau war er dort langjähriger wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik. Auch als Kommunalpolitiker engagiert sich Eike Hallitzky als Fraktionsvorsitzender im Passauer Kreistag und Gemeinderat in Neuburg/Inn für die Energiewende vor Ort.

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13. November 2015

„70% des bayerischen Stromverbrauchs aus Erneuerbaren Energien bis 2025“ war die Zielmarke im Bayerischen Energiekonzept von 2011. „70% Erneuerbare Energien“, so tönte auch Bayerns Wirtschaftsministerin Aigner bei der Vorstellung des neuen CSU-Energiekonzeptes vor wenigen Wochen. Doch dahinter steht ein ganz billiger Taschenspieltrick: Die CSU-Regierung redet nicht mehr vom Stromverbrauch, sondern von der Stromerzeugung.

Und bei der Stromerzeugung erhöht sich der Anteil Erneuerbarer Energien alleine durch die Stilllegung der bayerischen Atomkraftwerke von rund 35% (2013) auf 66%. Dies bedeutet zum einen, dass zum Erreichen des CSU-Ziels von 70 % in den kommenden zehn Jahren bereits ein jährlicher Ausbau von weniger als einem halben Prozent ausreichend wäre – ambitionierte Tatkraft sieht anders aus! Und zum anderen besagt es: Das bisherige Stromexportland Bayern muss nach 2022 über 40 % seines Strombedarfes importieren – das ist geradezu als Vorstufe einer Deindustrialisierung zu bewerten.
Hinter der Taschenspielerei der Wirtschaftsministerin steckt eine bayerische Energiepolitik, die in den vergangenen zwei Jahren vor allem zwei Ziele verfolgte: die Verhinderung von HGÜ-Leitungen und den Ausbaustopp für Windenergie.

CSU-Vollbremsung bei der Windenergie

Während die CSU ihren Widerstand gegen einen sinnvollen Ausbau von HGÜ-Leitungen nach viel Zeitverlust aufgeben musste, wird der Ausbau der sicheren und sauberen Windenergie in Bayern bis zum heutigen Tag völlig lahmgelegt. Im November 2014 wurde das Windkraftverhinderungsgesetz von der CSU gegen den Rat aller Experten durch den Bayerischen Landtag gebracht. Kernelement des Gesetzes: Windräder müssen in Bayern grundsätzlich mindestens den zehnfachen Abstand ihrer Höhe zur nächsten Wohnbebauung haben (sog. 10H-Regelung).
Die dramatischen Folgen dieser Regulierung waren angesichts der stark streuenden Besiedlung in Bayern absehbar:

  • Zum einen stehen die Planer vor der fast unlösbaren Aufgabe, überhaupt noch zulässige und windhöffige Flächen zu finden.
  • Zum anderen mussten viele Bürgerinnen und Bürger diese Regulierung als Botschaft empfinden: Bayern will keine Windkraft! Wer dennoch bauen wollte, hatte mit steigenden Widerständen vor Ort zu rechnen.

Im Ergebnis hat die 10-H-Vorschrift den Ausbau der Windenergie in Bayern nahezu auf Null gestellt: Die Zahl der eingereichten Genehmigungsanträge der letzten Jahre sank von 573 WKA-Anträge im Jahre 2013 auf nur mehr 12 Anträge im ersten Quartal 2015. Im März 2015 haben deshalb die Oppositionsfraktionen und mehrere Privatpersonen mit Unterstützung des grünen Landesverbands Klage vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof eingereicht, das Urteil wird im kommenden Frühjahr erwartet.

Gas geben bei der Windenergie!

Die Umstellung der EE-Förderung auf Ausschreibungen halten wir für falsch, werden sie aber kaum verhindern können. Deshalb ist unser Ziel, die neuen Modelle so zu gestalten, dass in Bayern die Energiewende in Bürgerhand nicht auf der Strecke bleibt. Bei bundesweiten Ausschreibungen sind die Standorte in Süddeutschland aufgrund der Windverhältnisse benachteiligt. Wir fordern deshalb regionalisierte Ausschreibungsrunden mit einem festen Anteil am Ausschreibungsvolumen für Süddeutschland.
Um kleineren Anbietern wie Bürgerenergie-Genossenschaften oder Stadtwerken eine echte Chance auf dem Windstrom-Markt zu erhalten, muss der EU-Vorschlag einer De-minimis-Regelung umgesetzt werden. Demnach können Windkraftprojekte bis zu 6 Anlagen von den Ausschreibungen ausgenommen werden. Wir fordern diese Ausnahmeregelung und eine feste Vergütung für Bürgerenergie-Projekte.
Bundesweit steht Bayern mit der überzogenen Abstands-10H-Regel alleine da. Sie muss unverzüglich abgeschafft werden. Gleichzeitig müssen die Regionalen Planungsverbände gestärkt werden, damit sie eine fundierte, überregionale Planung für geeignete Standorte erbringen können als Basis für eine erfolgreiche Teilhabe Bayerns an den bundesweiten Ausschreibungen.
Nicht nur beim Windstrom ist die Energiewende in Bayern akut gefährdet. Auch in allen Bereichen anderen stockt sie, wie in der Fotovoltaik, bei der Kraft-Wärme-Kopplung, beim Energiesparen. Das hat oft weniger mit fehlenden Konzepten zu tun, aber sehr viel mit politischem Willen. Viele Bürgerinnen und Bürger Bayerns haben diesen Willen – in Verantwortung für eine Eindämmung der Klimaüberhitzung und für die lebenswerte Zukunft unserer Kinder.
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Anmerkung der Redaktion: Der Energiewendeblog mit dem aktuellen Schwerpunkt Windenergie ist nicht der Ort, um alle landespolitischen Konflikte um den Ausbau der Erneuerbaren Energien auszutragen. Die bayerische Energiepolitik setzt beim Ausbau der Trassen und der Windenergie aber immer wieder bundespolitische Akzente. Wir hatten daher das zuständige Wirtschaftsministerium um einen Gastbeitrag gebeten. Mit Schreiben v. 8 Juli teilte uns das Staatsministerium mit: „Aufgrund der engen Terminlage ist ein Namensbeitrag von Frau Staatsministerin Aigner derzeit nicht möglich. Zudem werden derzeit wegweisende energiepolitische Beschlüsse getroffen, denen wir nicht vorgreifen wollen.“ In Folge dieser Absage wandten wir uns an die Opposition.

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  1. Gegenwind

    vor 8 Jahren

    Den Bayern zu unterstellen, sie würden mit der 10H Regel den Windkraftausbau bewusst lahm legen, ist schlichtweg eine Frechheit. Bayern ist das einzige Bundesland, welches den immer höher werdenden Anlagen (moderne Windkraftanlagen haben heute eine Gesamthöhe von bis zu 220m) Rechnung getragen hat. Und somit den Schutz der betroffenen Bürger wirklich ernst nimmt. In Baden Württemberg wird ein Mindestabstand zur Wohnbebauung von 700m nach wie vor für ausreichend gehalten. Und das obwohl sich die Anlagenhöhen in den letzten 20 Jahren mehr als verdreifacht haben. Auch ist in Expertenkreise schon seit geraumer Zeit bekannt, dass alle Schallemissionsprognosen zur Genehmigung dieser großen Anlagen rein gar nichts mit der Realität zu tun haben. Das es generell Sinn macht, die Mindestabstände zur Wohnbebauung in Relation zur Höhe der Windräder zu setzen, sollte eigentlich einleuchten.
    In Baden Württemberg hagelt es reihenweise Klagen betroffenen Bürger, die nachweisen, dass die Schallemissionswerte gemäß der TA – Lärm bei derart geringen Abständen zur Wohnbebauung eben nicht eingehalten werden. Was wiederum dazu führen wird, dass Anlagen abgeschaltet werden müssen. Und das nennt sich dann Energiewende!

  2. Windmüller

    vor 9 Jahren

    Zur Politik in Bayern passt das Verhalten der Stadtwerke München.. Diese haben sich vorgenommen, den Verbrauch der Metropole ( 7,5 Mrd Kwh/ Jahr ) bis zum Jahr 2025 zu 100% regenerativ zu erzeugen. Gern hätte man die Anlagen in Deutschland errichtet. Wegen der Achterbahnpolitik in Deutschland hat man es vorgezogen, einen 144 MW Windpark, bestehend aus 48 Anlagen der 3 MW Klasse in Schweden, 500 Kilometer nördlich von Stockholm zu errichten.

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