Ökologie und Ökonomie vereinen

Gastautor Portrait

Andreas Glück

Abgeordneter im Europäischen Parlament, FDP

Andreas Glück ist Facharzt für Chirurgie und war von 2011 bis 2019 Mitglied des Landtags von Baden-Württemberg. 2019 wurde er als Abgeordneter ins Europäische Parlament gewählt und ist dort Mitglied der liberalen Fraktion „renew europe“. Er vertritt die FDP im Umwelt- und Gesundheitsausschuss und war stellvertretender Vorsitzender im Covid19- Ausschuss. Er bearbeitet zudem für die FDP die Energiepolitik im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie.

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29. Mai 2024

Anmerkung der Redaktion: Anlässlich der Europawahl haben wir mehrere demokratische Parteien um einen Beitrag für unseren Blog gebeten. Nur zwei Parteien haben einen Beitrag gesendet. Für den Inhalt sind ausschließlich die Autoren des Artikels verantwortlich.

Zwei unterschiedliche Ansätze: Verbotspolitik oder Technologieoffenheit

Der Green Deal hat die parlamentarische Arbeit in den letzten fünf Jahren geprägt. Das Ziel, Europa bis 2050 klimaneutral zu machen, wird dabei von uns Freien Demokraten unterstützt. Große Auseinandersetzungen gibt es aber über den Weg dorthin.

Grob gesprochen gibt es zwei Lager: Die einen, die ihre Lieblingstechnologien subventionieren und alles andere einschränken oder verbieten wollen. Und auf der anderen Seite, hier zählen wir Freie Demokraten dazu, die Verfechter der Technologieoffenheit. Unserer Überzeugung nach gilt es, verbindliche Rahmenbedingungen zu schaffen, keineswegs jedoch Vorgaben über die einzusetzenden Technologien zu machen. Wir setzen auf Innovation und Forschung und sind überzeugt, dass die Suche nach guten und günstigen Technologien zur CO2-Vermeidung in den Forschungseinrichtungen und Entwicklungsabteilungen besser aufgehoben ist, als in einem Parlament. Dies gilt insbesondere, weil nur so sichergestellt werden kann, dass die Technologien mit den niedrigsten CO2-Vermeidungskosten zum Einsatz kommen können. Nur wenn unsere Lösungen gut und günstig sind, werden diese weltweit eingesetzt. Dies ist Grundvoraussetzung für echten Klimaschutz und den Erhalt von Arbeitsplätzen in der EU.

Licht und Schatten für Technologieoffenheit

Seit vielen Jahren zeigt sich, dass der ETS ein zuverlässiges und effizientes Klimaschutzinstrument ist.

Andreas Glück

Eine gute Nachricht für den Klimaschutz und ein echter politischer Erfolg für die FDP ist es, dass wir uns bei der seit Jahren geforderten Erweiterung des Europäischen CO2-Zertifikatehandels ETS endlich durchgesetzt haben. Seit vielen Jahren zeigt sich, dass der ETS ein zuverlässiges und effizientes Klimaschutzinstrument ist. Da die Anzahl der verfügbaren CO2-Zertifikate beständig sinkt, handelt es sich um eine echte Mengensteuerung, ohne technologische Vorgaben. Da die Emissionszertifikate frei handelbar sind, entsteht ein marktwirtschaftlicher Anreiz klimafreundliche Investitionen zu tätigen und CO2-Emissionen kosteneffizient einzusparen.

Deshalb war es sachlogisch diesen Mechanismus mit der Schaffung eines ETS 2 auch auf den Gebäude- und Mobilitätssektor auszuweiten. Da sich bei Industrie und Energiewirtschaft einerseits und Gebäuden und Verkehr andererseits, sehr unterschiedliche Preisniveaus zeigen, ergab sich die Notwendigkeit nicht gleich alle Sektoren in einen Topf zu werfen, sondern einen getrennten ETS 2 zu schaffen. Wir wollen die beiden ETS-Systeme perspektivisch bis 2035 zusammenlegen und auf weitere Sektoren ausdehnen.

Leider wird die durch den ETS errungene Technologieoffenheit durch ordnungspolitische Initiativen der von der Leyen-Kommission immer wieder untergraben. Besonders deutlich wird dies bei Gebäuden und Verkehr – Sektoren die in Zukunft mit dem ETS 2 klare Rahmenbedingungen für die Dekarbonisierung haben.

Verbrennerverbot

Mit den CO2-Flottengrenzwerten für PKW soll der Verbrennungsmotor in neuen Autos ab 2035 de facto verboten werden. Die Tatsache, dass CO2 nur am Auspuff gemessen wird, bedeutet, dass ein großer Teil der Emissionen (z.B. Produktion, Stromerzeugung) nicht erfasst wird und, dass die Potentiale von klimaneutralen, synthetischen Kraftstoffen nicht genutzt werden könnten. Eine Lebenszyklusanalyse würde hier Abhilfe schaffen.

Der Verbrenner ist per se weder gut noch schlecht, es kommt schlicht darauf an was darin verbrannt wird. Auch wenn bei manchen Anwendungen BEVs echte Vorteile bringen, darf es keineswegs zu einer Ausschließlichkeit kommen. Durch den ständigen Einsatz der Freien Demokraten, hat die Kommission immerhin zugesagt, Ausnahmen für rein mit eFuel betankbare PKW schaffen zu wollen. Die Tatsache, dass die Entscheidung bezüglich der Flottengrenzwerte 2026 nochmals überprüft werden soll, ist für uns eine Ermutigung weiterhin für Technologieoffenheit in diesem Bereich einzutreten.

Gebäudeeffizienz

Der Diskussionen zum Entwurf der von der Leyen-Kommission für die europäische Gebäudeeffizienzrichtlinie EPBD zeigen klar, wie ordnungspolitische Überregulierung die Akzeptanz der Bevölkerung für Klimaschutzmaßnahmen gefährden kann. Auch wenn im final beschlossene Text die ursprünglich vorgesehenen individuellen Sanierungspflichten gestrichen wurden, bleibt die EPBD eine teure Doppelregulierung. Gleichzeitig versuchte die Kommission über die Ökodesign-Richtlinie strikte Energieeffizienzanforderung an Gebäudeheizungen zu etablieren. Somit wären in Zukunft lediglich Wärmepumpen zugelassen und Boiler de facto verboten. Wärmepumpen können ohne Frage einen echten Beitrag zum Klimaschutz leisten, aber eben nur dort, wo sie technisch sinnvoll sind. Gerade ältere Gebäude und das Fehlen einer Flächenheizung lassen den Einsatz von Wärmepumpen wenig sinnvoll erscheinen. Das Festschreiben einer bestimmten Technologie für ganz Europa wird der Vielfältigkeit unserer Gebäude nicht gerecht. Durch den Widerstand der FDP innerhalb der Bundesregierung und der Unterstützung weiterer Mitgliedstaaten, konnte dieses Vorhaben glücklicherweise gestoppt werden.

Erfolgreicher Klimaschutz nur international

Nur mit Technologieoffenheit können wir in Europa die besten und gleichzeitig günstigsten Lösungen entwickeln.

Andreas Glück

Klimaschutz kann nur funktionieren, wenn andere Regionen der Welt mitziehen. Die EU ist global gesehen für weniger als 10% des CO2-Ausstoßes verantwortlich. Das bedeutet nicht, dass wir resignieren sollten – im Gegenteil. Europa muss sich für weltweit ambitionierte und technologieoffene Klimaschutzpolitik einsetzen. Der im vergangenen Jahr gegründete Klimaclub sollte zügig erweitert und ein möglichst umfassendes, internationales Emissionshandelssystem etabliert werden.

Durch seine starke wirtschaftliche Grundlage kann Europa der Welt als Vorbild für erfolgreichen und bezahlbaren Klimaschutz dienen. Wenn wir aber durch überbordende Bürokratie unsere wirtschaftliche Grundlage verspielen, oder durch Verbotspolitik lediglich Technologien zulassen, die sich nur Europa leisten kann, erreichen wir das Gegenteil. Nur mit Technologieoffenheit können wir in Europa die besten und gleichzeitig günstigsten Lösungen entwickeln. Wenn diese Technologien dann weltweit zum Einsatz kommen, schützen wir das Klima und schaffen gleichzeitig Arbeitsplätze in Europa. So bringen wir Ökologie und Ökonomie zusammen.

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