Entlasten, verteilen, beteiligen – Die Bundesnetzagentur macht einen Vorschlag zur gleichmäßigen Belastung der Kosten für die Energiewende

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Barbie Kornelia Haller

Vizepräsidentin der Bundesnetzagentur

Barbie Kornelia Haller ist seit Juni 2022 Vizepräsidentin der Bundesnetzagentur und für die Bereiche Energie und Post zuständig. Zuvor war sie Vorsitzende der Beschlusskammer 7 "Gasnetzzugang" und hier verantwortlich für Regulierung von Gasnetzbetreibern, insbesondere hinsichtlich Kapazitäten, Zugang zum Gasnetz, Entflechtung, Regulierung und Ausnahme von Leitungen mit Drittstaatenbezug (Nordstream I+II), Regulierung von LNG-Terminals und Lieferantenwechsel.

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24. Juni 2024
Bild: Shutterstock.com/Bilanol

Die Energiewende: eine Aufgabe für die gesamte Gesellschaft

Netzentgelte werden in Deutschland nur von Letztverbrauchern erhoben. Dies führt in Regionen, die deutlich mehr Strom erzeugen als sie verbrauchen und hierfür ihre Netze ausbauen müssen, zu besonders hohen Netzentgelten. Die Energiewende ist jedoch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die hiermit einhergehenden Investitionen in die Netze kommen allen Netznutzenden gleichermaßen zugute. Der klimaneutral erzeugte Strom versorgt nicht nur Netzkunden im einspeisenden Netz, sondern Letztverbraucher in ganz Deutschland. Somit sollten sich auch die daraus resultierenden Kosten gleichmäßiger auf alle Netznutzenden verteilen.

Mit der Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes im vergangenen Jahr hat die Bundesnetzagentur deutlich erweiterte Kompetenzen zur Ausgestaltung des regulatorischen Rahmens erhalten. Dies umfasst die Ausgestaltung der Regelungen zum Netzzugang wie auch der Regelungen zur Bestimmung der zulässigen Erlöse bzw. zur Bildung der Netzentgelte. Die Bundesnetzagentur kann damit auch Regelungen erlassen, die dazu führen, dass Regionen, in denen ein außerordentlich hoher Anteil an erneuerbaren Energien mit einer im Verhältnis dazu geringen Last einhergeht, künftig finanziell entlastet werden.

Integration von EE-Anlagen

In Deutschland gibt es regional zum Teil sehr große und wachsende Unterschiede bei der Höhe der Netzentgelte für Strom.

In Deutschland gibt es regional zum Teil sehr große und wachsende Unterschiede bei der Höhe der Netzentgelte für Strom. Die nackten Zahlen veranschaulichen dies deutlich: Nehmen wir einen Haushaltskunden mit einem beispielhaften Verbrauch von 3.500 kWh/a an. Wohnt er in einem Netzgebiet, in dem besonders viel dezentrale Erzeugung zugebaut wird, zahlte er im Jahr 2023 Netzentgelte in Höhe von bis zu 15,29 ct/kWh.(Netzgebiet: Schleswig-Holstein Netz AG). Dementgegen betrug das bundesweite Durchschnittsnetzentgelt für Haushaltskunden in der Niederspannung im Jahr 2023 lediglich 9,35 ct/kWh. Für Haushaltkunden können die Unterschiede nicht selten eine Mehrbelastung von 200 € pro Jahr bedeuten.

Die Unterschiede sind in erster Linie durch die besondere Kostenbelastung veranlasst, die durch die Integration von EE-Erzeugung ausgelöst wird. In den letzten Jahren hat diese stark zugenommen.

In Regionen mit hoher EE-Einspeisung ist ein intensiver Netzausbau und eine schnelle Digitalisierung der Netze notwendig, um den dort erzeugten Strom aufnehmen und abtransportieren zu können. Dafür sind massive Investitionen erforderlich, die hohe Kosten verursachen.

Die Bundesnetzagentur hat deshalb am 15. Mai dieses Jahres einen Festlegungsentwurf veröffentlicht. Darin unterbreitet sie einen konkreten Regelungsvorschlag zur Verteilung von Netzkosten aus der EE-Integration. Durch diesen Regelungsvorschlag sollen Verbraucherinnen und Verbraucher in Netzen mit erheblichen Mehrkosten durch den EE-Zubau einen finanziellen Ausgleich erhalten.

Eine Kennzahl für die Kostenbelastung

Der Ansatz zielt darauf ab, dass Netzbetreiber nur dann Teile ihrer Kosten aus der Integration von EE-Anlagen wälzen dürfen, wenn sicher angenommen werden kann, dass ihnen durch die Integration eine besondere Kostenbelastung entsteht.

Die besondere Betroffenheit wird anhand der sogenannten Erneuerbaren-Energien-Kennzahl – der EE-Kennzahl – festgestellt. Die EE-Kennzahl basiert auf dem Verhältnis der tatsächlich angeschlossenen Leistung von EE-Erzeugungsanlagen in einer Netzebene und der Jahreshöchstlast. Damit spiegelt sie näherungsweise die zusätzliche Netzbelastung aufgrund der Einspeisung durch EE-Anlagen wider. Je höher dabei die installierte EE-Leistung, desto höher fällt – bei gegebener Jahreshöchstlast – die Kennzahl aus.

Übersteigt das Verhältnis von installierter EE-Einspeiseleistung zu Jahreshöchstlast den Wert von 2, kann sicher angenommen werden, dass eine besondere Betroffenheit der Verteilernetze vorliegt. Ab diesem Wert ist die Rückspeiseleistung größer als die Jahreshöchstlast. Es kommt zu einer Mehrinanspruchnahme des Netzes, wofür es ausgebaut werden muss und zusätzliche Kosten entstehen.

Gleichmäßige Beteiligung an den Kosten

Die Verteilung der Mehrkosten auf die Netzkunden des gesamten Bundesgebietes soll gleichmäßig über ganz Deutschland erfolgen.

Die Verteilung der Mehrkosten auf die Netzkunden des gesamten Bundesgebietes soll gleichmäßig über ganz Deutschland erfolgen. Das ist auch richtig, weil der EE-Strom für alle Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland erzeugt wird: Die erzeugten Mengen, die den außerordentlichen Netzausbau in Rückspeisenetzen verursachen, werden zur Versorgung an anderen Stellen eingesammelt, transportiert und verteilt.

Im Ergebnis werden Regionen mit hoher EE-Erzeugung entlastet. Alle Stromverbraucher in Deutschland beteiligen sich gleichmäßig an der Finanzierung dieser Kosten. Das bringt nicht nur mehr Fairness mit sich. Außerdem trägt der Vorschlag der Tatsache Rechnung, dass die Energiewende nur gelingen kann, wenn sich alle an ihrer Umsetzung beteiligen.

Das aktuelle Festlegungsverfahren zur Entwicklung eines Wälzungsmechanismus für EE-bedingte Mehrkosten ist dabei eingebettet in einen Gesamtprozess zur Neusetzung des Regulierungsrahmens. Hierbei werden auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für den Ausbau- und Betrieb der Netze neu justiert. Entwürfe zu zentralen Festlegungsverfahren, bspw. zur Ausgestaltung des Regulierungsrahmens oder auch zur Bestimmung der zulässigen Erlöse eingehenden Aufwandsparameter werden wir zum Ende diesen Jahres vorlegen.

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  1. Jens

    vor 6 Tagen

    Die Bundesnetzagentur sollte die Integration großskaliger Batteriespeicher fördern, regulatorische Hürden abbauen und technologische Innovationen unterstützen. Durch klare langfristige Ziele und eine nationale Speicherstrategie kann Deutschland die Netzstabilität verbessern und die Energiewende vorantreiben. Die positiven Erfahrungen mit der Hornsdale Power Reserve in Australien zeigen, dass solche Maßnahmen sowohl technisch machbar als auch wirtschaftlich vorteilhaft sind.

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